Die russische Lebensader

Der Name ist für uns ein Mysterium, etwas Spannendes, ein Abenteuer ... "Transsibirische Eisenbahn"

 

Wenn man es hier den Einheimischen erzählt dass man mit der Bahn von Vladivostok nach Moskau reisen will, erntet man meistens ungläubiges Kopfschütteln. 7-9 Tage im Zug, mit all den Anderen? Fliegen ist viel einfacher und z.T. auch billiger. Richtig!

Aber fliegen bedeutet auch sich in 3-4 Stunden woanders hin zu beamen. Manchmal macht es Sinn, aber jetzt geht es nicht darum schnell nach Moskau zu kommen. 

Mein Motorrad braucht eh 14 Tage bis es hoffentlich gut ankommt. Also will ich die Zeit nutzen um langsam zu reisen und die Strecke zu geniessen.

 

Der Bahnhof von Vladivostok ist ein imposantes altes Gebäude und wie alle Bahnhöfe und öffentliche Stellen streng bewacht. Metalldetektoren, Gepäckdurchleuchtung,... das ganze Programm, fast wie auf dem Flughafen. 

 

Ich hatte mich entschlossen den Weg nicht an einem Stück zu machen, sondern in kleineren Abschnitten und dann in Städten die es mir Wert waren zu stoppen und ein paar Tage zu verbringen.

 

Mein Zug fährt spät abends los und es ist ein ganz klein bisschen anders als bei uns. Am Bahnsteig wartet die Schaffnerin in voller Uniform am Eingang jedes Wagons und kontrolliert das Ticket und den Pass. Jeder Wagon hat seinen eigenen SchaffnerIn. Meine heisst Galina und war mit Leib und Seele dabei. 

Die Schaffner sind Kontrolleure, Verkäufer, Putzkräfte, Servicekräfte, Mädchen für alles und ein bisschen die Mama des Wagons... alles in einer Person. Und ich habe diesmal wirklich Glück mit der Belegung des Zuges. Im ganzen Wagon sind nur 2 Gäste. 

 

Ich hatte 2. Klasse gebucht, weil ich nicht wusste wie es sein würde. Es gibt 3 Klassen in diesen Zügen. 

Bei der ersten Klasse sind mehrere Abteile in einem Wagon und es sind nur 2 Betten je Abteil. 

Die 2. Klasse ist ähnlich geschnitten hat aber 4 Betten pro Abteil. Ein wenig vergleichbar mit unseren Liegewagen früher.

Die 3. Klasse, mit der bin ich später gefahren, hat im Wagon keine Abteile, dafür viel mehr Betten. Aber dazu komme ich später.

 

Als erstes gibt mir Galina mein Bettzeug und ein Handtuch. Gehört dazu und ist sauber verpackt in einer Plastiktüte. Erst mal das Bett machen, denn wer weiss wer gleich noch kommt und dann ist es relativ eng. Aber es sollte so bleiben, dass ich das Abteil für mich habe bis Irkutsk. 

3 Tage Fahrt. Man schaut aus dem Fenster, geniesst Billionen von Birken, die schon in Herbstfarben an einem vorbei rauschen, fotografiert, liest, macht irgend etwas am Computer, schläft, isst,... und von vorne. 

 

Ich bin zum Glück gut vorbereitet, weil mich viele Reisende und auch Einheimische gut darauf vorbereitet haben. Nämlich das was man mitnehmen muss wenn man diese Reise machen will.

 

1. Etwas zu Essen, denn das Bordrestaurant ist schweineteuer.

2. Etwas zu Trinken, denn das gleiche gilt für kalte Getränke

3. Für heisse Getränke und auch mehr oder weniger zum Waschen steht ein Samovar auf dem Gang. Die Schaffnerin kümmert sich immer darum, dass er voll und heiss ist. Also muss man sich Kaffee oder Tee, Zucker, einen Becher, Besteck etc mitnehmen.

4. Toilettenpapier, ganz nach "Versorgungslage" ist es manchmal aus. 

5. Feuchte Tücher. Eh mein "Immer-Dabei-Universal-Tuch"

6. Verteilersteckdose. Es gibt im ganzen Wagon nur 3 Steckdosen. Diese haben im übrigen nicht genug Saft für einen Rechner, aber für Handy etc reicht es. 3 Steckdosen bei 2 Gästen klingt jetzt ausreichend, wenn der Wagon voll ist, sind es aber 36 Leute. Und alle hier haben Smartphones.

7. Badeschlappen

8. Was zum Lesen oder Hören. 3 Tage können lang werden ...

 

Nachdem also mein Rechner leer war, die Hörbücher gehört und lesen am Handy ein wenig mühsam ist, beginnt die Langeweile. 

Da ist jede Station an der man hält natürlich eine Attraktion. Das passiert dann alle 6-8 Stunden, denn die Abstände sind schon riesig. Und der Zug ist allen Unkenrufen zum trotz bis Moskau immer super pünktlich. Das muss absolut mal gesagt werden !!!

 

Ach ja, Uhrzeiten! Wie stellt man es nun an eine Zeitdifferenz von 7 Stunden von Moskau zu Vladivostok in einem Fahrplan darzustellen ohne Alle und Jeden zum Wahnsinn zu treiben? Eigentlich ganz einfach. Ab dem Moment, dass man den Bahnhof, jeden Bahnhof, in Russland betritt gilt Moskauer Zeit. Erstmal etwas verwirrend für mich aber es funktioniert hervorragen. Alle Bahnuhren zeigen Moskau, alle Fahrpläne zeigen Moskau, also stellt man auch seine Uhren auf Moskau um. Und schon passt alles, ausser dass es um Mitternacht schon taghell ist. 

 

An den Stationen gibt es jeweils Einkaufsmöglichkeiten. Die Babushkas, die so bekannt dafür waren auf den Bahnsteigen frisches Selbstgekoches zu verkaufen sind seltener geworden. Ich habe gehört, dass die Bahn sie nicht überall haben möchte. Aber es gibt sie noch und so versorgt man sich unterwegs. Lecker, günstig und ein kleines Erlebnis ist es immer wieder. 

Falls ihr ein Foto der Babuschka erwartet. Das Untere ist es, bevor ich aber Abdrücken konnte hatten die chinesischen Mitreisenden sie auch entdeckt.

 

Diese Strecke ist auch ohne Zweifel die Lebensader Russlands, bis vor ein paar Jahren war die Strasse nach Vladivostok sehr schlecht und auch heute ist die Entfernung von über 9000km nicht mal eben so zu fahren.

In den 1890er Jahren wurde der Bau begonnen und seither werden über diese Strecke Güter in beide Richtungen transportiert. Die Länge der Güterzüge ist beeindruckend. Der Längste den ich gesehen habe, hatte 5 Lokomotiven und ich habe bei 80 Güterwagons aufgehört zu zählen. 

 

Nach 3 Tagen erreiche ich wieder Irkutsk. Hier war ich ja schon mit dem Motorrad und die Innenstadt hat mir gefallen. Nach meiner ersten Couchsurfing "Erfahrung" habe ich aber beschlossen, dass hier mal in real auszuprobieren. Nicht um bei jemandem zu übernachten, aber um Leute kennen zu lernen. 

 

Es war toll mit Einheimischen durch die Stadt zu laufen oder sich einfach nur bei einem Kaffee zu unterhalten. Ich habe teile der Stadt gesehen, die ich sonst nicht gesehen hätte. Das behalte ich bei!

 

Am 2. Tag geht es dann weiter Richtung Jekaterinburg, am Ostrand des Ural Gebirges. 

Auf diesem Abschnitt, es gab wieder nur die 2.Klasse ist der Zug gerammelt voll. Ein Kleinkind in meinem Abteil und auch sonst ganz anders als im ersten Zug. Das kann ja lustig werden.

 

Auf diesem Teilabschnitt fahre ich zusammen mit 2 Backpackern aus Deutschland, die schon 17 Monate unterwegs sind. Wow! 

Wir probieren den Speisewagen aus. Die etwas dralle Restaurantbetreiberin, kann nicht übersetzen was es gibt, also werden wir mit in die Küche genommen. "No Foto!" ... Von Video hat keiner was gesagt, oder?...also läuft meine kleine Kamera gemütlich mit. 

Wir entscheiden uns für gefüllte Paprika. Super Lecker! Aber mit ca 12€ schweinemässig teuer für lokale Verhältnisse. Bei den Getränken, wir betreten zu Viert den Bereich der Kühlfächer... "No Foto!" "Da, Da,..!" , haut es uns bei den Preisen die Schuhe aus. Es geht auch ohne. 

 

Wie erkennt man die routinierten russischen Bahnreisenden? An der Vorbereitung. 

Ich hatte ja gesagt, dass es pro Wagon nur 3 Steckdosen gibt. Und diesmal war er voll. Also was macht der gewiefte Russe? Er verlegt Strom. An einer Steckdose setzt er einen 3er Verteiler, damit die anderen nicht motzen. Von da verlegt er ein Stromkabel mit Klebeband an der Decke des Wagons und ab in sein Abteil. Mein Respekt!

 

Jekaterinburg ist die nächste Etappe. 2 tolle Abende und viel Sightseeing weiter habe ich ein tolles Bild und Erinnerungen an Jekaterinburg. 

 

Weniger gut ist die erste Unterkunft. Ich wollte vor allem in der Nähe des Bahnhofes bleiben um es am nächsten Tag nicht weit zu haben. Erst habe ich es nicht gefunden, dort angerufen und als ich fragte ob sie Englisch sprechen wurde aufgelegt. Zwei mal!

Doch was da doch im Bahnhofsgelände selber zu finden war, erschlug mich. Eine Mischung aus Ausnüchterungszelle, Bahnhofsmission und Kaserne... Nee Danke. Beim besten Willen nicht. Also schnell umbuchen und ab ins Red Line Hostel. Super gepflegt, Englisch sprechendes Personal, Kaffee, Tee und Kekse umsonst, internationals Publikum, hier kann man es aushalten.

 

Es ist die Stadt, in der der letzte russische Zar und seine Familie 1918 ermordet wurden. An der Stelle an der das Haus stand in dem es passiert ist, steht heute eine Kirche. The "Church on Blood". 

Büsten und Denkmäler von Nikolaus II habe ich aber in fast allen russischen Städten gesehen, und zum Teil sogar in Kirchen als Fresko mit Heiligenschein. Dies ist eine recht neue Entwicklung nach dem Jahre 2000. 

 

Jekaterinburg ist eine sehr moderne Stadt mit einem alten Stadtkern und ist auch ein Handelszentrum von Halbedelsteinen und Schmucksteinen wie z.B. Malachit, die hier früher gewonnen wurden.

Ausserhalb der Stadt im Ural war die Gegend bekannt für Bergwerke und Schwerindustrie. Die Gegend hat auch diesbezüglich nicht den besten Ruf für Umweltschutz und Sauberkeit. Wenn man nur die Stadt kennt, würde man das nicht sagen wollen.

 

Die nächste Station ist Kazan. Und hier komme ich wieder in eine andere Teilrepublik die anders geprägt ist.

Diesmal habe ich einen Platz in der 3. Klasse. Dabei ist der Wagon nicht unterteilt in Abteile sondern hat nur vorne und hinten jeweils eine Toilette und den Schaffnerbereich mit Samovar. Dazwischen sind links vom Gang jeweils 4 Betten und entlang des Ganges 2 Betten. Und das hintereinander bis zum Schluss. Ich schätze mal 50 Personen oder so. 

Auch hier gibt es Bettwäsche und Handtuch, aber Privatsphäre auf einer längeren Reise ist Fehlanzeige. Trotzdem meine inzwischen bevorzugte Klasse. 

 

Auf diesem Teilabschnitt, der tagsüber verläuft, habe ich einen 4er Platz mit einer chinesischen Reisenden, die perfekt mehrere Sprachen spricht. Auch sie hat einen Cut gemacht und reist um die Welt und macht genial Fotos :) (Instagram: weina_loves_coconut) Wir verstehen uns blendend.

 

Kazan liegt in Tatarstan. Einer Teilrepublik, die moslemisch geprägt ist. Der imposanteste Teil der Stadt ist der Kremel von Kazan. Eine Mischung von Festung, Palast, Kirchen und einer sehr imposanten Moschee. 

Die Stadt selber ist voll von jungen Leuten und gefühlt jedes zweite grosse Gebäude ist ein Teil der Universitäten.

 

Ich werde immer besser ;) Diesmal hatte ich alles richtig gemacht, das Hostel war gut und günstig, WLAN war schnell, die Küche gut ausgestattet und das alles direkt neben dem Bahnhof Kazan. 

Also kann ich gemütlich rüber laufen und die letzte Etappe nach Moskau starten. 

Also die Zeit auf der Anzeigetafel mit dem Ticket vergleichen und dann das Gleis suchen... Nur wird mein Zug nicht angezeigt ?!?! Hier spricht natürlich wieder keiner Englisch, aber ich frage doch die gut aussehende Dame am Schalter. In gutem Englisch erklärt sie mir, dass es noch einen Bahnhof gibt: "Kazan 2". Dort fährt mein Zug. Mit dem Taxi 30 Minuten entfernt. Mein Zug geht in 40!

 

Und dann wieder eine der 1001 tollen Erfahrungen, die dieses Land und ihre Menschen so liebenswert machen. Sie schliesst kurzentschlossen ihren Schalter, geht mit mir raus zu den Taxis und verhandelt für mich den Preis! Ich hoffe ich habe mich in dem ganzen Stress so herzlich bei ihr bedankt wie es notwenig wäre. Einfach nur toll! 

Wer hatte mich wieder vor Russland gewarnt? ...

 

2 Minuten vor Abfahrt bin ich am Bahnsteig, besteige meinen Zug und komme am nächsten Morgen pünktlich in Moskau an. 

Eine tolle Erfahrung, tolle Menschen, tolle Erlebnisse, es lohnt sich wirklich hier den Zug zu nehmen.

 

Write a comment

Comments: 2
  • #1

    cristina (Wednesday, 01 November 2017 18:20)

    cred ca ai facut bine ..ca ai luat trenul, si eu fac asta cand sant in Rom.!
    Kazan, nie gehört...m-am uitat repede pe harta..."goagel"..rusii astia au de toate pentru toti! Ekaterinenburg, frumoase poze, am inteles ca au devenit monarhisti!
    Se pare ca au un cult. Bine ca ai prins trenul catre Moscova,....dar in ce statie oare s-a oprit trenul care te-a adus la Kazan ? Cum stai cu rusa...vad ca tot cu engleza te descuri, in Spania , era perfect daca vorbeai romana sau germana !

  • #2

    Christian (Sunday, 26 November 2017 22:18)

    Lieber Rosto,
    endlich mal wieder ein Lebenszeichen aus dem Ländle und vielen, vielen Dank für das tolle Foto von dem bestens herausgeputzten Postbus. War das ein mobiles Café?
    Meiner sieht gegen dieses Prachtexemplar ziemlich benutzt aus, leider.

    Liebe Grüße vom Bodensee